Zum Jubiläum gibt es die Krönungsmesse

Die

 erste Reihe muß mit den Füßen ganz vorne an der Kante stehen“, sagt Rainer Klugkist und rückt die Füße der vordersten Sängerinnen und Sänger seines Chores zurecht. Eng ist es auf den Podesten in der Aula der Tellkampfschule, schließlich zählt der Frauenchor und gemischte Chor von 1958 Hannover-Döhren stattliche 80

aktive Mitglieder und die müssen alle erst einmal den rechten Platz auf der Bühne finden. Mit genauem Augenmaß postiert der Chorleiter jeden an der richtigen Stelle, dann kann die Probe beginnen. Doch bis der erste Ton erklingt, vergeht noch geraume Zeit. Zuerst muß der Körper gelockert werden, der Brustkorb geweitet, um den Tönen Platz zu geben für einen möglichst vollen Klang. Da schwingen die Hüften, da kreisen die Arme, da pendeln Köpfe und Schultern. „Beim Ausatmen müssen wir länger werden“, erklärt Klugkist, atmet tief ein und streckt die Arme in die Höhe.

Dann erst geht es ans Singen. Ein paar technische Übungen zu Beginn, anschließend holen die Sängerinnen und Sänger ihre Noten raus. Die „Krönungsmesse“ von Wolfgang Amadeus Mozart steht auf dem Programm des nächsten Konzerts. Ein äußerst anspruchsvolles Werk für einen Laienchor, doch etwas Besonderes sollte es auch sein. Denn der Anlaß des großen Auftritts ist das 50-jährige Jubiläum der aktiven Sängergemeinschaf t in diesen Tagen.

„Nach kurzer Debatte (...) wurde der einstimmige Entschluß gefaßt, den geplanten Frauenchor zu gründen. Er soll den Namen tragen: ,Frauenchor Hannover-Döhren von 1958’“, notiert das Protokoll der Gründungs Versammlung am 21. Oktober 1958 im Döhrener Gesellschaftshaus in der Wiehbergstraße. 30 Frauen waren es damals, die sich zusammentaten. Jeden Dienstag wollten sie künftig von 20 bis 22 Uhr im Döhrener Maschpark, der damaligen Heimat vieler Döhrener Vereine, gemeinsam mit ihrem ersten Chorleiter Karl-Heinz Prick Lieder singen. Schnell etablierte sich der Frauenchor im Stadtteil, nahm an Sommer- und Straßenfesten teil, trat in Altersheimen und Krankenhäusern auf und war bald aus Döhren nicht mehr wegzudenken.

„Es traf uns sehr hart, als der Döhrener Maschpark im Juni 1973 abgerissen wurde“, erinnert sich Irmgard Kienast, die seit 1961 stetig im Chor mitsingt und seit vielen Jahren bei der Organisa­tion verantwortlich mithilft. Jahre der Wanderschaft hätten da begonnen: mal probten die Sängerinnen im Paddelclub Hannover-Döhren, mal im Hotel am Aegi, mal im Künstlerhaus oder der Kardinal-Bertram-Schule. „Es gab keinen festen Punkt mehr und das war ein sehr großes Problem“, erzählt die 63-Jährige. Die Mitglieder schwanden mehr und mehr und so mußten die Verantwortlichen nach neuen Wegen suchen, um die Sängerinnengemeinschaft am Leben zu erhalten. Nahe liegend war es da, sich mit Döhrener Männerchören zusammen zu schließen, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten. So wurde aus dem reinen, Frauenchor ein gemischter Chor, der bald im neu errichteten Freizeitheim Döhren seine Heimat fand.

„Seitdem ging es nur noch aufwärts“, sagt Matthias Berger, derzeit Vorsitzender des Vereins. Immer mehr Frauen und Männer aller Altersklassen sangen mit, viele blieben dem Chor jahrelang treu. Diese Stetigkeit könnte nicht nur an der Freude am gemeinsamen Singen liegen, sondern auch daran, daß der Chor das Miteinander ebenso in anderer Hinsicht pflegt. „Wir sehen auch, daß wir eine soziale Aufgabe haben", erklärt Berger. Gemeinsame Aktivitäten außerhalb der Chorproben würden von den Mitgliedern gerne angenommen und so hätten sich schon viele Freundschaften, sogar Lebensgemeinschaften im Chor gefunden. Mehrtägige Chorreisen an interessante Orte und Chorseminare zur Vorbereitung von Konzerten verbinden die Sängerinnen und Sänger zusätzlich. Eine stabile Gemeinschaft ist in den 50 Jahren entstanden.

Sigrid Krings
(HAZ Hannover, 6.11.2008)

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